Haushaltsrede der BG – Fraktion im Rüthener Rathaus zum Haushaltsplan 2012 der Stadt Rüthen

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
meine sehr verehrten Damen und Herren!

„Die letzte Rate ist bezahlt !“

Diese Überschrift in der FAZ vom 16.02.2012 bezieht sich auf die Städte Borken und Velen, die es inzwischen geschafft haben, schuldenfrei zu sein. Diese Städte zeigen, wie solide und zukunftsweisende Haushaltsführung aussieht.

Erfolgsfaktoren hierfür sind effizienter Personaleinsatz, eine schlanke Verwaltung und profitable eigenständige Stadtwerke. Die Städte Borken und Velen setzen 20% weniger Personal ein als andere Städte. Möglich ist dies auch dank einer ausgeprägten Ehrenamtsstruktur, hinter der wir uns in Rüthen allerdings nicht zu verstecken brauchen. Freiwillige Leistungen werden in Borken und Velen durch eine Bürgerstiftung finanziert. Deshalb ist es unserer Ansicht nach erstrebenswert, etwas Vergleichbares auch in Rüthen aufzubauen. Wir begrüßen ausdrücklich den Gedanken der CDU zur Gründung einer Bürgerstiftung. Hier sollte weiterhin nach Realisierungsmöglichkeiten gesucht werden.

Tafelsilber brauchte in Borken und Velen nicht verkauft werden. In Rüthen dagegen hätte man ohne das Wirken der BG in der Vergangenheit schon viel vom Tafelsilber – wie z.B. die Bereiche Wasserversorgung und Abwasser - verscherbelt.

Die beschriebenen Städte überprüfen konsequent ihre größeren Investitionen auf deren Folgewirkung und Folgekosten. Eine solche Vorgehensweise fordert die BG schon seit Jahrzehnten auch für Rüthen - leider oft vergeblich.

Durch diese Vorgehensweise hat Borken erhebliche Liquiditätsreserven aufbauen können, während andere Gemeinden sich in großem Maße verschuldet haben.

Was können wir hieraus lernen? Auf der Ausgabenseite sehen wir folgende Möglichkeiten:

  1. Keine Höhergruppierung von Stelleninhabern in der vom Bürgermeister vorgesehenen Weise.
  2. Die Stelle des Wirtschaftsförderers ist aus dem Stellenplan herauszunehmen und die Aufgaben sind dem Geschäftsführer der neu zu gründenden Stadtwerke als „Anstalt des öffentlichen Rechts“ (AöR) oder GmbH zu übertragen. Die im Haushaltsplan für Wirtschaftsförderung und Tourismus vorgesehenen 350.000,-€ müssen im Hinblick auf die in der Vergangenheit eingesetzten Mittel und deren erzielte Effekte hin hinterfragt werden.
  3. Um die hohen Kosten für die Unterhaltung der Paul Gerhard Schule zu sparen, ist der Verkauf oder Abriss und die anderweitige Unterbringung der dort noch unterrichteten Schülerinnen und Schüler zwingend notwendig.
  4. Übertragung der Schützenhallen an die ortsansässigen Vereine.
  5. Auch eine Reduzierung der Ratsmandate ist für die BG schon seit langem kein Tabu-Thema mehr. Mit 32 Ratsmitgliedern befinden wir uns an der obersten Grenze des für Gemeinden unserer Größenordnung noch Zulässigen. Wir fordern im ersten Schritt eine Reduzierung auf 28 Ratsmandate. Über eine weitere Reduzierung ist dann in einem weiteren Schritt nachzudenken. Andere Gemeinden unserer Größe kommen mit 20 Ratsmitgliedern aus. Vor jeder Wahl wurden unsere Anträge hierzu abgelehnt.

Abgesehen von diesen selbst zu beeinflussenden Ausgaben machen uns auch Ausgaben zu schaffen, die der Stadt von außen aufgezwungen werden. Hier sind die weiterhin hohe Kreisumlage und die Leistungsgesetze, die der Bund den Städten und Gemeinden in der Sozialhilfe auferlegt, zu nennen. Auch die jährlichen 215.000,- € für den Solidaritätsbeitrag zur Deutschen Einheit, die die Stadt zu entrichten hat, sind nach 20 Jahren Wiedervereinigung nicht mehr akzeptabel. Zu nennen sind auch die stetig steigenden Leistungen für die Kinder- und Schülerbetreuung, Ausgaben, die eigentlich Bund und Land zu übernehmen hätten. Die Ausgaben für Sozialleistungen sind seit 2000 um satte 80 % gestiegen. Kosten, die das Land den Kommunen über die Schlüsselzuweisungen in vollem Umfang wieder zuführen müsste.

Solide und zukunftsweisende Haushaltsführung bezieht sich für mich aber nicht nur auf die Ausgaben, sondern vor allem auch auf die Einnahmen. Hier sind in der Vergangenheit zum Teil nicht mehr korrigierbare Fehler in Rüthen gemacht worden.

So hat man im Bereich Industrie- und Gewerbeansiedlung kleinkariert an falsch positionierten Gewerbegebieten festgehalten, statt an exponierter Lage sowie interkommunal Industrie- und Gewerbegebiete zu errichten. Wozu dies geführt hat, sieht man ganz deutlich an den Gewerbesteuereinnahmen des Jahres 2011. Nicht nur, dass die Einnahmen in Rüthen in Höhe von 3,2 Mio. € sehr gering waren. Hinzu kommt, dass die Steigerung um 8,5 % von 2010 auf 2011 im Vergleich zu anderen Gemeinden lächerlich gering ausgefallen ist. Diese Zahlen zeigen deutlich den desolaten Zustand unserer Industrie- und Gewerbesituation.

Bei dieser bedenklichen Einnahmesituation ist es umso notwendiger, in anderen Bereichen Einnahmen zu generieren. Ein zukunftsträchtiger Bereich ist unserer Ansicht nach der Energiesektor. Hier bieten sich durch eine Rekommunalisierung der Energielieferung, sowie eigene Energiegewinnung, zukünftige neue Einnahmemöglichkeiten. Die BG fordert ausdrücklich die Realisierung dieser Maßnahmen, wie z.B. Lieferung von Strom und Gas, sowie den Bau von Solaranlagen, Windkraftanlagen und Blockheizkraftwerken möglichst mit Bürgerbeteiligung. Um besser für diese zukünftig notwendigen Veränderungen gewappnet zu sein, ist es aus unserer Sicht absolut erforderlich, diesen Bereich in einer neu zu gründenden GmbH und/oder Anstalt des Öffentlichen Rechts (AöR) anzusiedeln, welche zu 100 % in städtischer Hand sein soll. Zur Umsetzung dieser Maßnahme müssen 40.000,-€ im Haushalt bereit gestellt werden. Dabei bilden die bereits bestehenden Stadtwerke schon jetzt eine ideale Grundlage zur Gründung derartiger Gesellschaften. 

Es überwiegen hierbei für die Stadt Rüthen deutlich folgende Vorteile:

  • Durch Herauslösungen des operativen Geschäfts aus der Verwaltung wird diese entlastet. Politische Einflüsse auf die AöR oder GmbH sind lediglich durch den Stadtrat gegeben. Der Ausbau einer derartigen Gesellschaft auf weitere Geschäftsfelder ist leichter möglich und unterliegt den Gesichtspunkten eines Unternehmens der freien Wirtschaft.
  • Der Vorstand der AöR, oder Geschäftsführer der GmbH ist wirtschaftlich orientiert und kann weitgehend eigenverantwortlich arbeiten.
  • Die Geschäftsfelder innerhalb einer AöR oder GmbH sind in einer Bilanz zusammengefasst. Verlustbehaftete Teilbereiche können mit gewinnbringenden Feldern bequem kompensiert werden.
  • Gleichzeitig ist der Vorstand der AöR oder Geschäftsführer der GmbH dann als Dienstleister für die Stadt im Bereich Wirtschaftsförderung tätig.
  • Nur so ist gewährleistet, dass die Verwaltung sich uneingeschränkt auf ihre originären, administrativen Aufgaben konzentrieren kann, bei gleichzeitig effektiverem Wirken des operativen Geschäftes.

 

Eins ist uns in diesem Zusammenhang noch ganz wichtig und ich sage dies an die Adresse der städtischen Mitarbeiter gerichtet: Bei der Gründung einer derartigen Gesellschaft, muss berücksichtigt werden, dass die bereits vorhandenen städtischen Mitarbeiter bei Übernahme gesellschaftsrechtlich nicht schlechter gestellt werden dürfen als in ihrer bisherigen Position. Erfreulich auf der Einnahmenseite sind die Erlöse aus dem Forst. Hierfür gilt unser ausdrücklicher Dank den Mitarbeitern des Forstes. Zur Verbesserung der Einnahmensituation fordert die BG weiterhin ein interkommunales Gewerbegebiet mit Autobahnanschluss an die A44 in Höhe Westereiden.

Falls die vom Investor geplante Ausbaumaßnahme im Hankerfeld für 2012 nicht verbindlich zugesichert werden kann, sind die im Investitionsplan vorgesehenen Mittel für den Ausbau des Gewerbegebietes Hankerfeld zurück zu stellen, beziehungsweise in Teilen für die Umorganisationen zu verwenden.

Extrem bedenklich für uns ist die Entwicklung der Gesamtverschuldung der Stadt. Hatten wir im Jahr 2008 noch 3,7 Mio. € Guthaben, so liegen wir jetzt bei 9,6 Mio. € Gesamtverschuldung. Für 2015 sind erschreckende 20 Mio. € Gesamtverschuldung prognostiziert.

Aus dieser Schuldenfalle ist es unmöglich selbst herauszukommen, wenn nicht Bund und Land die uns übertragenen Sozialleistungen in vollem Umfang übernehmen. Bereits heute können wir das Tagesgeschäft nur noch über sogenannte Kassenkredite, im privaten Bereich als Kontoüberziehungskredite mit entsprechend hohen Zinsleistungen bekannt, finanzieren.

40 Kommunen in NRW sind inzwischen vollkommen überschuldet und stehen Griechenland hier in nichts mehr nach. Nicht auszudenken, was in diesem Land los sein wird, wenn die erste Stadt keine Löhne, Gehälter und Rechnungen mehr bezahlen kann.

In Rüthen werden inzwischen nicht einmal mehr die Abschreibungen erwirtschaftet und wir zehren deshalb bereits jetzt schon am Eigenkapital.

Die im Haushalt angesetzte Summe der freiwilligen Leistungen kann die BG akzeptieren, aber bei der Verteilung muss der Rat freie Hand behalten. Der vorgesehenen Verteilung kann die BG in keiner Weise zustimmen. Das von uns allen geforderte und begrüßte ehrenamtliche Engagement wird durch die jetzige Regelung nicht gefördert, sondern behindert. Die BG begrüßt die von ihr seit Jahren geforderte und jetzt erreichte Flexibilisierung der Bestattungsformen und bedankt sich in diesem Zusammenhang beim Bürgermeister für sein Engagement in diesem Bereich.

Den Stellenplan lehnt die BG in der vorliegenden Ausführung ab. Der Wirtschaftsförderer muss als Vorstand in der neu zu gründenden Stadtwerke AöR und/oder Geschäftsführer einer GmbH angesiedelt werden. Außerdem findet die Höhergruppierung von Stelleninhabern in der vorgelegten Form nicht unsere Zustimmung.


Herr Bürgermeister,
meine Damen und Herren,

die BG zeigt ihnen nun schon seit Jahren innovative Änderungen in der Wirtschaftsund Finanzpolitik, sowie in der Stadtentwicklung auf. Neben der von uns angestoßenen stadteigenen Energielieferung, sind weitere durchgreifende positive Tendenzen nicht zu erkennen. Dieses ist der verfehlten Politik der letzten Jahre bzw. Jahrzehnten anzurechnen, da unsere zukunftsweisenden Anregungen in der Vergangenheit und auch Heute kaum Berücksichtigung gefunden haben. Es wird wie anfangs beschrieben zu viel verwaltet und zu wenig gestaltet.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal ein Zitat von Einstein aufgreifen, das da heißt: „ Die Probleme die es gibt, sind nicht mit der gleichen Denkweise zu lösen, durch die sie entstanden sind!“

Darum wird unter Abwägung aller von uns genannten positiven und negativen Aspekte, die BG dem Haushalts-, Investitionsplan und Stellenplan nur zustimmen, wenn auch obige Forderungen umgesetzt werden.

Zum Schluss möchte sich die BG - Fraktion beim Beigeordneten und Kämmerer, Herrn Köller, für die Unterstützung bei den Haushaltsberatungen bedanken. Bitte geben Sie Herr Bürgermeister diesen Dank auch an all Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die im vergangenen Jahr geleistete Arbeit in der Rüthener Stadtverwaltung weiter.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank
Für die BG Fraktion
gez. F.-J. Dohle
(Fraktionsvors.)


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